Erziehungkunst pur

Es ist vor allem auch eine Frage an unser Bild und die Berechtigung von Autorität. Aus dem Erspüren dessen, was die Menschheit jetzt und in näherer Zukunft braucht, mit welchen Fähigkeiten die heranwachsende Generation ihre Aufgaben im Leben meistern wird, vor allem aber mit dem Wissen darum, dass Kinder und Jugendliche diese Aufgaben bereits in sich tragen, entwickelt Held die Basis, die »sieben Kernpunkte der Waldorfpädagogik«. Für den Schulunterricht? Weit mehr: Es ist auch die Basis für das lebenslange Lernen in der Erwachsenenwelt. Anregungen, die tauglich sind, auch außerhalb der Schule jedem Menschen neue Perspektiven und Ideen für den alltäglichen Umgang zu geben, Mut zu machen, sich zu entwickeln und die Herausforderung zur Mitgestaltung anzunehmen. Könnte es sein, dass »die Geschöpfe der Welt so werden, wie man über sie denkt«? Dass »Leben nicht Krieg und Konkurrenz, sondern Solidarität ist«? Dass »ein Händedruck mehr aussagt als ein Test«? Dass »wir alle lebenslang Lernende sind«? Könnte es sein, dass wir zu Egoisten geworden sind, weil wir in der Schule die Grundrechenarten »falsch« beigebracht bekamen, und wir deshalb in erster Linie zusammenzählen (zusammenraffen), statt zu teilen? Beeindruckend sind die achtsamen Beobachtungen aus zwölf individuell gestalteten Unterrichtsbegegnungen. Entscheidend ist nicht so sehr, welches Thema hier behandelt wird, sondern wie der Lehrer mit seiner besonderen Wesensart die Verbindung zu den Erwartungen der Schüler schafft. Nur darauf gründet sich seine Autorität. Die Lehrer rezitieren nicht aus einem fertigen Konzept. Sie zeigen, dass sie in jeder Unterrichtsstunde neu nach den Antworten suchen und dass die Schüler an den Lösungen mitwirken.

Diese seltenen, diskreten Einblicke vermitteln Erziehungskunst pur!

Wolfgang Held: Das ist Waldorfschule. Sieben Kernpunkte einer lebendigen Pädagogik, Softcover, 160 S., EUR 15,–, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019