Hell und gleichmäßig klingen die Schläge aus dem Hammerraum der Silberschmiede in der Staatlichen Zeichenakademie Hanau. Als späterer Teil eines Gefäßes entsteht hier eine Schale, die nach erster Formgebung in einer hölzernen Vertiefung nun mit poliertem Hammer und Eisen planiert wird: hunderte von präzisen Schlägen mit der leichtgewölbten Hammerbahn glätten und straffen das Metall.
Auf Konzentration kommt es dabei an und auf makelloses Werkzeug. Jeder Schlag hinter-lässt eine Spur und hat eine Wirkung. Wie wird die Wölbung ebenmäßig und spannungsvoll, die Oberfläche einheitlich mit so partiell arbeitenden Werkzeugen? Schlag um Schlag, regelmäßig gesetzt.
Neben den Augen, die die Form in den Reflexionen des Lichtes auf der Oberfläche prüfen, dienen zur Kontrolle speziell angefertigte Schablonen – und die Hände. Sie erspüren noch feinste Unregelmäßigkeiten.
Das koordinierte Zusammenspiel beider Hände bestimmt auch den Planiervorgang.
Es erfordert einige Übung, bis die hammerführende Hand diesen sicher und zugleich frei umfasst, ihn lediglich lenkt und selbst arbeiten lässt . Die haltende Hand hat das Werkstück währenddessen stets so auf dem Eisen zu positionieren, dass es dort aufliegt, wo der Hammer trifft.
Zusätzlich zu Augen und Händen hilft das Gehör, bei gebührendem Schutz, dies zu kontrollieren. Der Klang der Schläge offenbart, wie gut das gelingt.
Wie bei so vielen handwerklichen Tätigkeiten schafft hierbei anhaltende Praxis die Voraus-setzung dafür, das Material frei nach dem eigenen Willen formen zu können.
Die Staatliche Zeichenakademie Hanau ist heute eine der wenigen Ausbildungsstätten für das alte Handwerk des Silberschmiedens in Deutschland. Als staatliche hessische Schule, in der auch verschiedene weitere edelmetallverarbeitende Berufe wie Goldschmied:in, Metallbildner:in, Graveur:in und Edelsteinfasser:in ausgebildet werden, kann sie in diesem Jahr auf eine 250-jährige Geschichte zurückblicken. 1772 wurde sie, vornehmlich zur Schulung des Nachwuchses der Gold- und Silberarbeiter, als „Academie der Zeichenkunst" in der Hanauer Neustadt gegründet.
In ihrem repräsentativen Altbau von 1880 und modernen Erweiterungen beherbergt sie großzügige Werkstätten, Theorie- und Gestaltungsräume und eine einzigartige Bibliothek.
Dort lässt sich tief in die Geschichte der Bearbeitung von Edelmetallen eintauchen, welche immer eng mit der allgemeinen Kunstgeschichte verbunden war.
Wie sehen Geräte und Gefäße aus, die uns in unserem Alltag und zu Festen bei Tisch um-geben, im Profanen ebenso wie im Sakralen? Welche Formen des Umgangs bedingen und bedienen sie? Was sind heute zeitgenössische Formen für Schalen, Leuchter, Bestecke, aber auch Kelche, Kannen und etliches mehr? Vieles davon ist inzwischen von industrieller Fertigung und Design geprägt. Und doch beschäftigen sich Silberschmied:innen wie seit Jahrhunderten gerade damit. War in früheren Zeiten die Prägung durch jeweils vorherrschende Stile stärker, ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Suche nach der unverwechselbaren Position, dem eigensten Ausdruck bestimmender.
Heute haben viele silberschmiedische Arbeiten, oft aufwendig hergestellte Unikate, eine skulpturale Ausrichtung und bleiben zugleich direkt auf die Benutzerin oder den Benutzer bezogen. Sie wahren das menschliche Maß. Im besten Sinne angewandte Kunst, bezieht sich eine Kanne so auf Hand, Tisch und Raum.
Als schönes Beispiel sei hier eine silberne Kanne gezeigt, die als Abschlussarbeit eines Auszubildenden entstanden ist: um einen zylindrischen Körper schwingt elegant ein konisches Band und entwickelt sich dabei vom Griff zum Ausguss.
Die Berufsbezeichnung Silberschmied:in kann im Übrigen irreführen. Silberschmied:innen sind in ihrer Arbeit nicht auf das wunderbare Material Silber beschränkt, sondern verarbeiten eine Vielzahl anderer Metalle ebenso wie Hölzer, Steine oder Kunststoffe.
In der Ausbildung wird häufig mit Buntmetallen wie Messing und Tombak gearbeitet, die in etlichen ihrer Eigenschaften dem Silber ähnlich sind.
Neben tradierten Techniken wie Schmieden, Feilen, Treiben, Löten u.v.m. werden dabei neueste CAD-gestützte Techniken eingesetzt; auch das macht den Beruf sehr vielseitig.
Zur Unterscheidung der Berufe lässt sich vereinfacht sagen: Goldschmied:innen machen Schmuck, Silberschmied:innen fertigen Geräte und Gefäße. Ein wichtiges Aufgabengebiet besteht für sie zudem in der Reparatur und Restaurierung von Silbergerät. Gerade im sakralen Bereich kommt der Erhaltung und Pflege unseres kulturellen Erbes ein immer höherer Stellenwert zu.
Die Ausbildung der Silberschmied:innen an der Zeichenakademie fußt auf einer breitge-fächerten Vermittlung von Grundlagen des Handwerks, der Gestaltung und des Zeichnens, von CAD-Techniken sowie allgemeinem und fachspezifischem Theorieunterricht.
In den oberen Semestern der dreieinhalbjährigen Ausbildung werden, betreut durch eine Gestaltungs- und eine Werkstattlehrer:in, zunehmend spezielle Gestaltungsthemen er-arbeitet. Der Arbeitsprozess umfasst dabei die Recherche und Ideensammlung, Zeichnungen, Materialstudien und Modelle bis zur anschließenden Ausführung in den Werkstätten.
Eine relativ kleine Klassengröße ist von Vorteil, um die gestalterische Individualität der Auszubildenden zu fördern und gleichzeitig Wert auf Teamarbeit zu legen.
Wichtig ist auch die Teilnahme an Ausstellungen, Messen und Wettbewerben, ob schulintern, national oder international. So nehmen an der alle drei Jahre stattfindende Silbertriennale neben Absolvent:innen auch Auszubildende der Silberschmiedeklasse immer wieder erfolgreich teil.
Dies alles in einer beruflichen Ausbildung ermöglichen zu können, zu der die Zugangs-berechtigung in einem Hauptschulabschluss und einer bestandenen Eignungsprüfung besteht, ist Teil der bildungspolitischen Positionierung der Zeichenakademie.
Es ist eine erfüllende Aufgabe, dort die Weitergabe des Silberschmiedens in der Vielfalt von Techniken und immer neuen Fragestellungen zu begleiten, um das alte Handwerk mit in die Zukunft zu führen.
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