Waldorfeltern gründen eigene Schulen, dazu organisieren und verwalten sie wie selbstverständlich gemeinsam mit den Lehrern einen großen Schulapparat, unterstützen die Ausbildung eigener Lehrer und lassen sich das, neben der vielen Arbeit, die sie damit haben, auch noch einiges kosten! Warum eigentlich – und wer sind diese Menschen?
Erstmals in der Geschichte der deutschen Waldorfschulbewegung wurden in einer repräsentativen Studie – konzipiert und durchgeführt vom Institut für Bildungsökonomie – fast 7.000 Waldorfeltern unter strengen Auflagen von Datenschutz und Anonymität befragt. Vom Institut bundesweit zufällig ausgewählte 117 Waldorfschulen wurden um ihre Mitarbeit gebeten, um den wiederum zufällig ausgewählten ca. 10% ihrer Eltern einen Fragebogen bzw. Unterlagen zu einem entsprechenden Onlinezugang zu schicken. Zur Beantwortung der stattlichen Anzahl von 129 Fragen benötigten die Befragten sicherlich viel Zeit. Trotzdem haben sich fast 3.700 Eltern (Rücklaufquote 54,4%) die Zeit genommen und den Fragebogen zurückgesandt. Diese ungewöhnlich starke Quote unterstreicht das hohe Interesse der Eltern an ihrer Beteiligung für die Weiterentwicklung der Waldorfschulen.
Waldorfeltern – Wo kommen sie her?
In diesem Kapitel der Studie interessierte uns, welchen Hintergrund die Eltern aufweisen. Fast 10% der Antwortenden hatten selbst eine Waldorfschule besucht, und bei etwa 3% dieser Eltern war auch schon zumindest ein Elternteil Waldorfschüler. Die meisten Eltern, die selbst eine Waldorfschule besucht hatten, taten dies von der 1. Klasse an und blieben bis zur 12. bzw. 13. Klassenstufe. Kennen Sie das Vorurteil, Eltern an Waldorfschulen seien weltfremd? Schauen wir auf das Vorliegen einer beruflichen Ausbildung und/oder eines Studienabschlusses, so können wir feststellen, dass Waldorfeltern diesbezüglich mitten im Leben stehen. 44% haben eine Berufsausbildung, 42% ein abgeschlossenes Studium und 10% der Eltern haben sogar beides in der Tasche.
Was treibt sie an?
Eltern haben wahrscheinlich eine genaue Vorstellung davon, was für sie eine gute Schule ausmacht. Wir haben nach diesen Schulwahlkriterien und deren Wichtigkeit gefragt und auch, inwieweit diese an der eigenen Waldorfschule erfüllt werden. Die Eltern stuften u.a. den ganzheitlichen Unterricht, die Möglichkeit, einen staatlichen Abschluss zu erlangen und das angstfreie Lernen als wichtigste Kriterien ein, die sie auch zugleich am stärksten erfüllt sehen. Hingegen wird die Möglichkeit, den Waldorfschul-Abschluss zu erreichen, als deutlich weniger wichtiges Kriterium gesehen. Sehr wichtig, aber noch nicht hinreichend erfüllt sind aus Elternsicht u.a. eine akzeptable Klassengröße sowie eine gute Fortbildung der Lehrkräfte.
Ebenfalls interessant ist, dass das Kriterium »Die Schule legt bei ihren Schülerinnen und Schülern Wert auf Leistung« von den Eltern als unwichtigstes Kriterium eingestuft wurde. In weiteren Auswertungsschritten werden wir uns mit dieser Kriterieneinstufung näher auseinandersetzen.
Quereinsteiger von staatlichen Schulen gibt es viele. 32% der Eltern kommen mit Erfahrungen eines anderen Schulsystems zur Waldorfschule. Fast Dreiviertel dieser Eltern schätzen die »besondere Pädagogik mit anderen Schwerpunkten«. Viele haben »Unzufriedenheit mit der staatlichen Regelschule« (64%) und »zu hohen Leistungsdruck« (50%) erlebt. An vierter Stelle rangieren »positive Erfahrungen anderer Eltern mit der Waldorfschule« als Wechselgrund, was die Stellung der Eltern als Multiplikatoren unterstreicht (Mehrfachnennungen waren möglich).
Wir alle wissen, wie sehr Waldorfschulen durch das ehrenamtliche Engagement der Eltern getragen werden. Von unserer ausführlichen Untersuchung zum Ehrenamt hier ein Auszug: Zwei Drittel der Eltern arbeiten mit (50%) oder haben in der Vergangenheit mitgearbeitet (16%). Bislang noch nicht engagiert sind 34% der Befragten. Auch wenn vereinzelt Personen schon mehr als 30 Jahre an Waldorfschulen ehrenamtlich tätig sind, so finden sich die meisten Nennungen bei »weniger als einem Jahr«, und bei »zwei Jahren«. Und wie beurteilen Eltern ihre Mitarbeit? 72% erleben diese als persönliche Bereicherung. Eindeutig spricht aus den Ergebnissen, dass Elternmitarbeit an der Waldorfschule akzeptiert ist und überwiegend positiv wahrgenommen, eine Ausweitung aber eher nicht gewünscht wird (siehe Grafik oben).
Wo wollen sie hin?
Wir fragten die Eltern nach ihren Positionen zu Aussagen, die in der Waldorfschulbewegung diskutiert werden. Für 92% der Eltern ist vor allem wichtig, dass das Zentralabitur angeboten wird, 70% stimmen zu, dass das achtjährige Klassenlehrerprinzip beibehalten werden sollte. Jeweils ca. 65% der Eltern wünschen, dass »mehr als bisher gesellschaftlich relevante und aktuelle Themen erörtert« und »Schülerinnen und Schüler mehr als bisher zu sozial und ökologisch verantwortlichem Handeln hingeführt« werden sollten.
Nach diesem Ausschnitt aus den ersten Auswertungen wollen wir noch zwei markante Ergebnisse aufzeigen. Insgesamt scheinen die Eltern doch sehr zufrieden zu sein, denn 95% der Eltern würden ihre Schule weiterempfehlen! Dass allerdings 23% sagen, ihre Schule sei nicht gut auf die Zukunft vorbereitet, sollte Anlass zu Gespräch sein.
Wir werden dazu das Freitextfeld »Welche drei größten Herausforderungen sehen Sie für Ihre Waldorfschule in den nächsten fünf Jahren?« detailliert auswerten, denn so können die Elternstimmen einen wesentlichen Beitrag für die Zukunftsgestaltung der Waldorfschulbewegung leisten.