Studie zur Schuleingangsuntersuchung

Martina F. Schmidt, Rainer Patzlaff

Seit 2004 führt das IPSUM-Institut Forschungsprojekte an Waldorfschulen zum Thema Einschulungsalter und Gesundheit durch. Anlässlich der Vorverlegung des Einschulungszeitpunktes soll untersucht werden, wie sich das Einschulungsalter auf die gesundheitliche Entwicklung der Kinder bis zum 4. Schuljahr auswirkt – eine Frage, mit der wissenschaftliches Neuland betreten wird.

In den Jahren 2004-2006 wurde ein standardisiertes Instrument zur Untersuchung des Entwicklungsstandes bei Einschulung an 76 bzw. 87 Waldorfschulen in Deutschland entwickelt, das die Fortschritte von fast 10.000 Kindern im Alter von 5-7 Jahren abbildet. Zwischen 2007 und 2008 folgte eine weitere Schuleingangsuntersuchung bei über 6.500 Kindern an 65 bzw. 103 Schulen. Erste Ergebnisse der Auswertung dieser beiden Jahrgänge liegen nun vor.

Bei der Auswertung der einzelnen Elemente der Schuleingangsuntersuchung im Hinblick auf ihre Eignung zur Feststellung der Schulreife zeigte sich, dass diese am deutlichsten an der körperlichen Entwicklung abzulesen ist, allen voran beim Gestaltwandel, Zahnwechsel und dem Wachstum. Während das Kopfwachstum nahezu unverändert bleibt, wachsen die Gliedmaßen verstärkt. Die bei früheren Schuleingangsuntersuchungen angewandte Methode, die Schulreife dadurch zu überprüfen, ob die Kinder mit dem Arm über den Kopf das Ohr erreichen können, hat sich als ein in der Durchführung anfälliger und ungenauer Test darstellt. Durch das Messen und In-Beziehung-Setzen von Kopfumfang und Spannweite bzw. Körpergröße kann hingegen eine objektive Aussage über diese Wachstumsvorgänge gemacht werden.

Bei der Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten kann nachgewiesen werden, dass das Denken eine neue Qualität erreicht hat. Das Ergänzen einer unfertigen Form (halber Tannenbaum), das Nachzeichnen eines Kreuzes und eines Fisches (mit einer Kreuzung) sowie das Zahlengedächtnis sind für die Untersuchung der Schulreife gut geeignet. So zeigt sich, dass Formen verstanden, ergänzt und umgesetzt werden können. Zahlen und Mengen können unmittelbar erfasst und in der Erinnerung festgehalten und wieder hervorgeholt werden.

Die motorische Untersuchung zeigt vor allem die Ausreifung der basalen Sinnesqualitäten wie Gleichgewicht, Tastsinn, Bewegungssinn, deren Entwicklung in den ersten Lebensjahren im Vordergrund stehen. Für die schulischen Anforderungen ist eine gewisse Reife dieser Sinne sehr wichtig. Zur Untersuchung der Schulreife ist die Motorik jedoch nur bedingt geeignet.

Weniger geeignet für die Frage der Schulreife sind die Qualität und Sicherheit beim Nachsprechen von Silbenfolgen und beim Nachklopfen von Rhythmen. Diese weisen eher auf individuelle Begabungen und Schwierigkeiten der Kinder hin und zeigen kaum noch eine Abhängigkeit vom Alter.

Wofür ist die Schuleingangsuntersuchung wichtig?

Aktuell wird an den Waldorfschulen das neue Forschungsprojekt ikidS-Waldorf durchgeführt. Es ist eine Vergleichsstudie mit etwa 70 staatlichen Schulen und begleitet engmaschig die Gesundheitsentwicklung der Kinder während des Übergangs vom Kindergarten in die Schule durch Befragung der Eltern und Lehrer, sowie die Dokumentation der Schuleingangsuntersuchung.

Es sollen neue Erkenntnisse gewonnen werden …

• zu pädagogischen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen auf die Schulbiografie durch ein frühes Einschulungsalter, Entwicklungsverzögerungen, ein spätes Einschulungsalter, Hochbegabung, die Schulrelevanz von chronischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und Barrieren für Kinder mit besonderen Bedürfnissen (Inklusion)

• zu den methodisch-didaktischen Anforderungen, die Kinder für die Klassen- und Fachlehrer mitbringen und worauf Aufnahmelehrer/innen und Schulärzte/innen achten müssen

• zu dem, wie sich das Kind an die neue Lebens- und Lernsituation anpasst, ob es Schulfreude entwickelt und wie der Lernerfolg (und was wir darunter verstehen) im Laufe des ersten Schuljahres aussieht.

• im Vergleich zu staatlichen Schulen (was politische Konsequenzen haben kann) zu den Themen: Pädagogische Förderung/Unterstützung, Auswirkungen auf die Lehrer/die Klasse, Förderung der Lernfähigkeit, Sozialkompetenz, Transitions-/Anpassungsprozess, gesundheitsfördernde Dimension der Waldorfpädagogik, medizinische Versorgung.

Die Initiatoren des Projekts hoffen auf rege Teilnahme der Schulen und Eltern.

www.unimedizin-mainz.de/pe/projekte/ikids-waldorf/uebersicht.html