Ausgabe 03/24

waldoratorium – Ein Waldorf Laboratorium

Alessa Rhode

Das neu aufgestellte Team der Geschäftsstelle der LAG Berlin-Brandenburg hatte erst vor einigen Wochen die Arbeit aufgenommen. Auf der Zugfahrt im Sommer 2021 zum ersten gemeinsamen Schulbesuch in Cottbus wurde frei assoziiert, schließlich entschieden wir uns für den Begriff waldoratorium. Dieses würde die Regionalkonferenz ersetzen. Für dieses Format gab es einige Eckpfeiler, um die herum das Konzept wachsen sollte. Zum ersten war das die Orientierung an der Selbstverpflichtung der LAG und zum zweiten der Turnus von drei Veranstaltungen im Schuljahr. Drittens sollten neben Vernetzung und Arbeit in AGs Impulse für innovative Pädagogik erfahrbar werden und es keine reine Berichtskonferenz mehr sein. Diese Eckpfeiler wurden im Konzept von folgenden Bausteinen konkretisiert:

Arbeit an innovativer Waldorfpädagogik
 

Bei der inhaltlichen Gestaltung der waldoratorien wird versucht, immer wieder die Schüler:innen in den Fokus zu holen. Denn das Offensichtliche gerät manchmal in der Verbandsarbeit aus dem Blick: das Ziel all unserer Arbeit sollte die Förderung des Wohles und der Entwicklung der Schüler:innen sein. Die Impulse für Innovation können dabei aus allen Bereichen der Pädagogik kommen, nicht nur aus der Waldorfpädagogik. Zudem soll auch das waldoratorium selbst ein Experimentierfeld für Methodenvielfalt sein.

Motivation, die von innen kommt
 

In der Selbstverpflichtung steht: «Die Gemeinschaftsmitglieder arbeiten an den Themen und Fragestellungen, die ihnen am Herzen liegen.» Übertragen auf das waldoratorium bedeutet dies, dass es kein Delegationsprinzip mehr gibt. Eingeladen sind alle Interessierten aus folgenden Gruppen: die Mitarbeitenden der Schulen und anderen Einrichtungen der LAG, der Landeselternrat und die Landesschüler:innenvertretung und die Studierenden des Seminars für Waldorfpädagogik.

Auf den Veranstaltungen selbst gilt das Prinzip der zwei Füße – wer in einem Workshop oder Vortrag nichts mehr lernen oder beitragen kann, ist eingeladen zu gehen. Die Person darf den Raum wechseln oder etwas anderes tun, wonach ihr ist. Denn nur, wer mit der eigenen Aufmerksamkeit und Energie da sein kann und will, wird sich produktiv einbringen können.

Freiraum und Begegnung
 

Neben dem Gesetz der zwei Füße sind noch weitere Aspekte vom Open-Space-Prinzip inspiriert. Auf den meisten waldoratorien gab es im Programm Slots, die spontan von den Teilnehmenden gefüllt werden konnten. So gibt es Flexibilität und Freiraum für das, was im Jetzt wichtig ist. Um nicht nur das Netzwerk zwischen den einzelnen Menschen zu stärken, sondern auch die Vielfalt der Schulen sichtbar zu machen, rotiert das waldoratorium. Das bedeutet, es ist immer bei einer anderen Schule zu Gast. So gibt es manchmal auch Aha-Momente, alleine durch das Erleben einer anderen Schule als Ort, zum Beispiel darüber, welche Schule digitale Whiteboards, Esel als Schultiere oder ein Oberstufencafé hat.

Zwischenresümee
 

Nachdem im September 2023 das mittlerweile siebte waldoratorium stattgefunden hat, haben wir in der Geschäftsstelle gemeinsam mit dem Vorstand eine Rückschau gehalten – um auch mögliche Verbesserungen vorzunehmen. Die inhaltlichen Schwerpunkte der waldoratorien lagen auf Selbstverwaltung, Umgang mit Konflikten, Medienpädagogik, Qualitätsentwicklung, interner Vernetzung und der Frage, was es bedeutet, heute jugendlich zu sein. Mit Abstand am meisten Zulauf hatte das waldoratorium zum Thema Diversität – dort musste aus Kapazitätsgründen bei 120 Anmeldungen ein Stopp verhängt werden. Sonst waren zwischen 40 und 80 Teilnehmende anwesend. Das waldoratorium findet zum Auftakt des Schuljahres anderthalb Tage an einem Freitag und Samstag und dann noch zweimal halbtägig jeweils an einem Donnerstagnachmittag statt. Dies ist ein Kompromiss aus Konferenztagen für Pädagog:innen und Zeiten am Wochenende, um den ehrenamtlichen Elternvertreter:innen die Teilnahme zu ermöglichen. Methoden der Begegnung waren einerseits klassische Formate wie Workshop, Podiumsdiskussion und World Café. Andererseits wurde einmal während eines waldoratorium ein Podcast auf unserer Bühne produziert oder wir haben in sogenannten Elevator Pitches kurze Präsentationen vorgestellt und unsere Veranstaltungen graphisch aufzeichnen lassen (Graphic Recording). Es kommen immer wieder digitale Elemente wie Padlets und Mentimeter über QR-Codes zum Einsatz. Ein waldoratorium fand komplett digital statt. Zudem wurde plastiziert, musiziert und Gedichten gelauscht.

Aus den Zusammenkünften im Rahmen der waldoratorien heraus hat sich unter anderem ein Fachtag zur Prävention, Lehrveranstaltungen am Seminar zur Elternarbeit und ein Austausch zur Personalentwicklung in der Selbstverwaltung entwickelt. Arbeitskreise zu regionaler Öffentlichkeitsarbeit, Diversität und zu den Willkommensklassen haben sich gegründet. Auch die Schulleitungen und die LSV haben das waldoratorium genutzt, um sich zu vernetzen. Nach wie vor stellt sich uns jedoch die Frage, wie die Arbeitskreise in eine selbstständige und kontinuierlichere Arbeitsweise kommen. Dies funktioniert nur zum Teil und oft schlafen die Arbeitskreise wieder ein. Ein Versuch, die Kontinuität niederschwellig zu fördern, ist unser Intranet, indem sich alle Mitarbeitenden der Schulen digital vernetzen können. Um einen verlässlicheren Austausch zwischen der LAG und den Schulen zu ermöglichen, wurde zudem mittlerweile neben der Geschäftsführendenrunde auch wieder ein monatliches Treffen der Regionalvertreter:innen initiiert.

Das Ringen zwischen Erneuerung und Bewahren – es findet auch auf den waldoratorien statt. Wie bei aller Netzwerk- und Bildungsarbeit ist es nicht einfach, die direkte Wirkung der waldoratorien zu evaluieren. Einen Eindruck der Wirkung bekommen wir durch direkte Rückmeldungen von Teilnehmenden, wie dieser hier: «An unsere Schule mitgenommen habe ich dieses Grundgefühl der Gemeinschaft. In erster Linie, da wir gerade erst im Aufbau sind und wir persönlich noch gar keine große Gemeinschaft haben. Ein kleines Pädagog:innenteam, gut 40 Schüler:innen – das ist noch im Keim. Und es ist der Ausblick, wo es hingehen wann, was man sich abschauen kann von den unterschiedlichsten Schulen und Personen, die hier sind – und, was man vielleicht auch von Anfang an anders machen kann». Es sind solche Worte, welche die Hoffnung nähren, dass die Impulse in den Schulen weiterwirken und somit zur stetigen Innovation der Pädagogik beitragen. Und die Tatsache, dass der Name waldoratorium vielen mittlerweile geläufig über die Lippen kommt.

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