»Die Welt ist auch noch nicht fertig …«

Katharina von Bechtolsheim

Katharina von Bechtolsheim besuchte die Freie Waldorfschule Pesthidegkut in Budapest, gegründet 1990, eine der inzwischen sechsundzwanzig Rudolf-Steiner-Schulen Ungarns. Sie sprach mit Schülern und Lehrern und richtete das Hauptaugenmerk auf die pädagogische Arbeit in der Oberstufe: Was macht diese tragfähig und lebendig? Mit welchem Eigenprofil und in welchem Flair findet sie statt? Wodurch schafft sie Zukunftsfähigkeit?

Es gibt ungarische Sprichwörter, die sind ein Genuss – und eigentlich nicht ins Deutsche zu übersetzen, etwa: »A világ sincs kész« (Die Welt ist auch noch nicht fertig!). Ein Oberstufenlehrer sagt es mit breitem Lächeln, hebt dazu beide Arme in die Luft, steckt dann die Hände in die Taschen und fügt hinzu: »… deswegen arbeiten wir ja ständig dran.« Ich muss mich dicht neben ihn stellen, um genau zu verstehen, was er sagt – denn um uns herum herrscht Hochbetrieb: Zurufe fliegen durch den Raum, etwa: »Peti, hat die Sache mit der Neunten geklappt?« – »Geklappt, das weiß ich nicht, aber sie leben noch!«. – Direkt neben uns unterhalten sich zwei Oberstufenlehrerinnen besorgt über ein Mädchen aus der elften Klasse, während eine Kollegin einen Stapel länglicher Prospekte auf den Tisch legt: »Liebe Leute, die Basar-Flyer sind raus!« – , was sofort mit »Oooh, sind die schön geworden« – quittiert wird.

Ich bin kein Freund langer Lehrerzimmeraufenthalte, aber in diesem Bienenstock fühle ich mich wohl. Das hier ist ganz entschieden ein Raum der Kommunikation. Alles dreht sich um den Unterricht, die Schüler, das Anstehende. Da steckt Leben drin.

Später sitzt mir im kleinen Bibliotheksräumchen Hanna Beöthy gegenüber. Sie ist Mitbegründerin der Oberstufe und Mitgestalterin der ungarischen Richtlinien für Waldorfpädagogik. Sie spricht leise, aber klar artikuliert: »Ich bin alt genug, um zu sagen, dass es immer Tiefpunkte gab, und ich neige nicht dazu, sie als Endpunkte zu nehmen, sondern sage mir: Rappeln wir uns lieber auf, als zu resignieren. Natürlich ist dieses Land wirtschaftlich in einer grausigen Lage; die Haushaltslöcher sind gewaltig – und mir leuchtet überhaupt nicht ein, warum man gerade der Bildung immer wieder neu Gelder entzieht – das ist in meinen Augen die ewige Dummheit, egal unter welcher Regierung. Dass die Zukunft bei der Erziehung beginnt, wissen wir ja nicht erst seit gestern! Wenn das System die Einsicht nicht hat, müssen wir sie eben doppelt intensiv aufbringen und dafür sorgen, dass durch gute pädagogische Arbeit eine neue Qualität in die Bildungslandschaft kommt, dass wir eigenständig denkende, kreative Menschen ins Leben entlassen, die das Ganze neu prägen.«

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Druckausgabe der Erziehungskunst 09/2010. Eine Langfassung des Artikels können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.