Mysteriendramen hautnah in Berlin

Cornelia Wirth

Im Mai 2011 wurden auf einer Tagung in Dornach die vier neuinszenierten Mysteriendramen aufgeführt. Die Künstler stellten dabei das von ihnen entwickelte Projekt »Mysteriendramen hautnah« vor. Das Konzept bestand darin, einzelne Szenen aus den Mysteriendramen herauszugreifen und sie unter einem Thema zusammenzufassen. Ein Moderator führte durch die Szenen, um den Inhalt zu erschließen.

Nachdem ein tragfähiges Finanzierungskonzept erstellt war, konnten die Dornacher Künstler nach Berlin eingeladen werden. Es wurde eine wirkliche Festwoche vom 5. bis 9. März 2012 – hier sei aber nur auf zwei Veranstaltungen eingegangen.

Für das Thema »Wege im Untersinnlichen – Ahrimans Wege« hatte der Vorbereitungskreis eine stillgelegte Tiefgarage in Steglitz ausgewählt. Für jede Szene wurde der Ort gewechselt, so dass die Schauspieler und Eurythmisten auf Vorsprüngen der Betonstützen, auf dem Grund einer spiralig abwärtsführenden Fahrbahn, auf breiten Wandverstärkungen aus Beton auftraten. Ein in diese Umgebung passender Regieeinfall war, den Naturwissenschaftler Capesius mit einem Auto vorfahren zu lassen. Ahrimans (Werner Barfod) charakteristische Bewegungsweise in dieser Ödnis hinterließ einen starken Eindruck, was sein Sprecher (Christian Peter) noch steigerte: Er nutzte die unterschiedlichen akustischen Gegebenheiten in der Tiefgarage und erzielte mit den im Gewölbe laut nachhallenden Abschlussworten eine hohe Wirkung.

Ein Höhepunkt der Konzentration und Dichte gelang in der Aufführung vor den Pädagogen aus Berlin und Brandenburg. Während nachmittags die Künstler mit den Kollegien vorwiegend gesprächsweise Aspekte der Mysteriendramen erarbeiteten, fand am Abend die Theateraufführung statt. Die Künstler trugen Kostüme aus verschiedenen Epochen, um den Reinkarnationsgedanken im Zusammenhang mit den gezeigten Beziehungen augenfällig zu machen. Es war eine Sternstunde, in der die Künstler mit ihrer vorzüglichen Diktion und Konzentration das Thema »Reinkarnation / Karma: Liebe und Krise« vor uns aufleuchten ließen.

In der Rückschau auf diese intensiven Tage und Abende kann man das von den Künstlern entwickelte Konzept nicht genug loben. Ein großer Dank sei hier Angelina Gaquzes und Jens Bodo Meier (Johannes Thomasius) ausgesprochen, die sich für die gesamte Koordination und Organisation starkmachten und in Zusammenarbeit mit Dorothee Kionke das Unternehmen überhaupt ermöglichten.

Cornelia Wirth ist Lehrerin an der Waldorfschule Märkisches Viertel Berlin