Schüler denken Wirtschaft anders

Klaus Weißinger

Die Frage nach einer aktiven menschengemäßen Gestaltung des Wirtschaftslebens treibt die Schüler um: Kann ich die heutige Realwirtschaft überhaupt verstehen? Welche Möglichkeiten gibt es, Wirtschaft anders zu denken? Was kann ich persönlich verändern?

Das Spannungsfeld, in dem diese Fragen diskutiert wurden, umreißen zwei Zitate: »Die Menschen sind weiter, als es die Verhältnisse sind« und »Die Wirkungen der Verhältnisse auf die Menschen sind sehr stark.« Das erste stammt von Gerald Häfner, Europaabgeordneter der Grünen, das zweite vom Kongolesen Boniface Mabanza, der in Heidelberg lebt und arbeitet und aus afrikanischer Perspektive über das Thema »Gerechtigkeit kann es nur für alle geben« wissenschaftlich gearbeitet hat. Beide waren Referenten bei den Werkstatttagen.

Die Waldorfpädagogik hält Vieles bereit, was ein heranwachsender Mensch zu seiner persönlichen Entwicklung braucht, was aber auch die Wirtschaftsfragen indirekt berührt. So verstärkt beispielsweise das Sozialpraktikum in der 11. Klasse besonders die Empfindsamkeit im Sozialen. Der andere Mensch wird dadurch stärker wahrgenommen. Beim Wirtschaftsleben kommt es gerade auf diese Wahrnehmung an, denn alles, was wir dort tun, hat mit der Wahrnehmung und der Befriedigung der Bedürfnisse der anderen Menschen zu tun. In der heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft handeln wir faktisch altruistisch, da wir für andere arbeiten.

Auf der Einkommensseite dagegen sind wir aufgrund der Verknüpfung von Arbeit und Einkommen Egoisten, die oft nicht genug Geld für sich haben können. Die Auseinandersetzung mit dem, was Geld scheinbar und in Wirklichkeit ist, hat eine eminent soziale Bedeutung. Gravierende Systemfehler prägen rund um den Globus die Finanz- und Wirtschaftsverhältnisse und fördern den Egoismus der Konsumenten, Unternehmen und Nationen. Diese Verhältnisse unideologisch zu durchschauen und menschengemäßere Ideen zur Umgestaltung der Wirtschaft zu durchdenken, sollte den Waldorfschulen ein Anliegen sein, damit die jungen Menschen ein Rüstzeug für ihren Lebensweg bekommen. Projekttage wie die Werkstatttage »Wirtschaft anders denken« sind, neben einem regelmäßigen Wirtschaftskundeunterricht, ein möglicher Anfang.

Schülerstimmen

»Im Rahmen der Werkstatttage konnten wir Schüler uns für drei verschiedene Themenwerkstätten entscheiden, in denen verschiedene Wirtschaftsaspekte behandelt und in Form eines Workshops ausgearbeitet wurden. Der Schwerpunkt war hierbei, sich Gedanken über alternative Wirtschaftssysteme zu machen , jedoch gleichermaßen sich über die Probleme und Fehler des gegenwärtigen Wirtschaftssystems im Klaren zu sein. Es handelte sich hierbei um sehr viele abstrakte Theorien, die oft abwegig erschienen. Es gab jedoch auch die ein oder andere schon existierende Initiative wie zum Beispiel die Triodosbank, was mir selbst am besten gefallen hat.

Nach den Themenwerkstätten hatte jeder die Möglichkeit seine innerhalb der zwei Tage gewonnenen Erkenntnisse und Informationen in den Gesprächswerkstätten in bunt zusammengewürfelten Klassen- und Schulkombinationen zu teilen und zu diskutieren.

In meinem Fall entstanden sehr interessante und anregende Gespräche. Nicht jede Gesprächswerkstatt lief jedoch so gut wie die unsrige, wie ich von verschiedenen Freunden hörte.

Für mich war die Wirtschaftswoche ein voller Erfolg, da mich jedes der Themenwerkstattgespräche gefesselt und interessiert sowie zu anderem, neuem Denken angeregt hat.

Carlo Strauß (12. Kl., Rudolf-Steiner-Schule Ismaning)

»Die Werkstatttage der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning hatten auch dieses Jahr wieder ein sehr gut geplantes Gesamtkonzept. Es war eine gute Mischung zwischen Vorträgen, Workshops, Gesprächsgruppen und Freizeit. Man bekam sehr viel gut vorbereiteten Input zu vielen Themen. Mich störte eine gewisse Einseitigkeit dadurch, dass die Referenten nur über Alternativen sprachen und es manchmal nicht genau klar wurde, was das Problem eigentlich ist. Das kommt wahrscheinlich daher, dass man an den Waldorfschulen keinen geregelten Wirtschaftsunterricht hat. Dazu kam auch, dass diese Veranstaltung Pflicht war und es so einige Leute gab, die sie als Qual ansahen. Trotz dieser paar kleinen Punkte war die »Wirtschaft anders denken« – Veranstaltung in Ismaning ein voller Erfolg und hat sehr viel Spaß gemacht. Man konnte mit interessierten Menschen diskutieren, spannenden Vorträgen lauschen oder das Essen unserer Schulküche genießen.«

Linus Heinz (12. Kl., Rudolf-Steiner-Schule Ismaning)

Link: www.wirtschaft-anders-denken.de