Tour de Lauro. Mehr als eine Fahrradtour

Kai Telle, Inge Wagner

Lauro ist ein kleines ruhiges Dorf im südlichen Italien, zwischen Rom und Neapel gelegen, eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft. Kaum eine Viertelstunde entfernt liegt der, bis auf den Monat August, menschenleere Badestrand von Baia Domicia. Am Garigliano, Grenzfluss zwischen Campania und Latium, liegen die schon von den Römern beschriebenen schwefelhaltigen Thermen von Suio.

Etwas außerhalb des Dorfes liegt ein alter Bauernhof in einem Olivenhain. Beides war längere Zeit sich selbst überlassen bis sich 1994 eine Gruppe fand, um zusammen mit in Lauro lebenden Menschen sich des Gehöfts und des Grundstücks anzunehmen und sie einer neuen Aufgabe zuzuführen.

Lauro ist nicht nur ein beliebtes Ziel ambitionierter Fahrradfahrer. Hier finden Feldmesspraktika, Theaterworkshops und Backkurse statt. Es wird im Garten gearbeitet, musiziert, Kanu oder Fahrrad gefahren oder einfach Urlaub gemacht und – wie meistens – gebaut.

Nur noch achtzig Kilometer bis Neapel stand auf dem letzten Straßenschild, als die Siebt- und Achtklässler auf ihren Fahrrädern von der Autostraße Rom – Neapel in Richtung Sessa-Aurunca abbogen. Acht Tage eiserner Disziplin, unerschrockenen Mutes und vor allem Durchhaltevermögens lagen hinter ihnen, seit sie in Überlingen an der Waldorfschule gestartet waren.

Die Vorbereitungen für diese Unternehmung hatten schon Wochen zuvor begonnen. Da die Tour schon mehrmals erfolgreich durchgeführt wurde, konnte die Organisationsgruppe zwar auf wertvolle Erfahrungen zurückgreifen, doch mussten erneut die Kinder motiviert, Wegstrecken und Fahrtrouten erkundet und neue Sponsoren gefunden werden. Solch eine große Herausforderung bedarf auch einer enorm guten Trainingsvorbereitung der Teilnehmer. Dazu gehört nicht nur die gute Abstimmung untereinander, die soziale Verträglichkeit und Rücksichtnahme, sondern auch die Fähigkeit, seine Kräfte einteilen zu lernen – und natürlich eine gute Kondition und Ausdauer. Stürze, Fahrfehler und Pannen sowie die Anstrengung des Trainings ließen manchen Schüler an dieser Unternehmung zweifeln.

Nachdem alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt und alle wichtigen Maßnahmen getroffen waren, konnte die Tour de Lauro beginnen. In elf Tagesetappen fuhr das Peloton durch das Rheintal, über die erste Alpenetappe, dann über den Julierpass (2248 m), zum Ende des Comersees, nach Cremona und zwei weitere Tage durch die Poebene nach Bologna, durch die Toscana, Umbrien, Latium an Rom vorbei zu ihrem Ziel.

Alles hinterließ unvergessliche Spuren und prägnante Bilder, die die Jugendlichen sicher niemals vergessen werden. Die Tour de Lauro gibt den Teilnehmern die Chance, hautnah die eigenen Stärken und Schwächen zu erspüren, sich und die anderen neu kennen zu lernen und einander zu stützen.

Die große gemeinsame Reise ist immer auch eine eigene innere Reise, denn so erfahren auch die Begleiter sind, die Strecke muss jeder selber fahren und keiner weiß wirklich, was in jedem Einzelnen innerlich vorgeht. Die Schüler lernen ihre Schwächen zu zeigen und auszusprechen. Manchmal geht der Weg auch ins Begleitauto, was keine Schande ist. Für den einen oder anderen ist der Kampf zwischen dem Stolz, durchzufahren und der Erkenntnis, es geht einfach nicht mehr, oder sich doch zu überwinden, die eigentliche Herausforderung. Es gibt kaum Situationen, in denen junge Menschen in so kurzer Zeit eine so enorme Entwicklung vollziehen. Es ist ein Geschenk, sie auf dieser Reise Jahr für Jahr zu begleiten.

Die Schüler wachsen nicht nur an persönlichen Erfahrungen – von der Vorbereitungszeit bis zur Rückkehr wachsen sie über einen halben Meter – als Gruppe.

Links: www.lauro-ev.de