Ausgabe 04/24

Wo Partizipation großgeschrieben wird

Keivan Azimi

Schauen wir darauf zurück, was an einem Septemberwochenende im Jahre 2022 in der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Bergstedt gewesen ist. Zu dieser Zeit strömten rund einhundert Waldorfschüler:innen aus ganz Deutschland in die Hamburger Waldorfschule, um sich im Rahmen der ersten Nordtagung ein Wochenende lang unter dem Thema «Waldorf 2032 – Wir blicken zurück» mit der Zukunft der Waldorfschulen aus Schüler:innen-Perspektive zu beschäftigen. Mit der Hilfe von Design-Thinking-Methoden und intensiven Gesprächen in themenspezifischen Arbeitsgruppen sowie Podiumsdiskussionen unter allen Teilnehmenden entstand ein Zehn-Punkte-Plan. Der Gedanke, die Waldorfbewegung aus Schüler:innen-Perspektive partizipatorisch mitzugestalten, erweckte eine große positive Resonanz. Schnell war klar, dass da noch unheimlich viel Potenzial wäre, welches es nun zu erwecken galt.
Um die Nordtagung überhaupt zu organisieren, haben sich im Frühjahr 2022 Waldorf-Landesschüler:innenvertretungen Norddeutschlands zusammengefunden und sich den Namen Nord-LSV gegeben. Das erste überregionale Bündnis von Waldorf-Landeschüler:innenvertetungen (kurz: W-LSVen) war geboren. Nach der Nordtagung war uns klar: Wir brauchen bundesweit mehr Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den W-LSVen.

Auf diesen starken Impuls der Länder des Nordens folgte ein großes Interesse auf Seiten der Schüler:innen, solch eine Qualität und Stärke der Zusammenarbeit in allen regionalen Arbeitsgemeinschaften, die die Verknüpfung der einzelnen Schulträger auf Landesebene darstellen, zu ermöglichen. Dies fand großen Anklang. Daraus war nun das sogenannte W-LSV-(Wieder-)Aufbauprojekt geboren. In diesem Kreis setzten sich erfahrene Menschen aus der W-LSV-Arbeit mit Vertreter:innen der damaligen Waldorf-SV zum ersten Mal zusammen und unterstützten in Teams die Schüler:innen und die jeweils regionale Arbeitsgemeinschaft vor Ort bei der Strukturierung und Etablierung von Partizipationsstrukturen in Form der W-LSV. Vor allem das Tragen dieses Gründungs-Impulses und das Ermutigen der Schüler:innen, ihre Mitsprache aktiv einzufordern und sich auf Landesebene zu organisieren, standen im Fokus dieser Arbeit. Auch hier findet sich wieder ein Bezug zu der Nordtagung, denn der zweite Punkt des Zehn-Punkte-Plans ist «Mitbestimmung und Schulgestaltung». Dabei ist vor allem der Punkt 2.1. mit dem Titel «Einbindung und Mitbestimmung» zu zitieren: «Schüler:innen sollten besser in die Mitgestaltung des Schullebens eingebunden werden, da Partizipation ein eigenständiges Recht von Kindern und Jugend­lichen laut UN-Kinderrechts­konvention ist.»

Dieser Aufgabe haben wir uns angenommen und durch das Begleiten und Mitbegründen jeder Schüler:innenvertretung auf Landesebene den einzelnen Schüler:innenvertretungen in den Schulen ein Gerüst und einen übergreifenden Zusammenhang für die Vernetzung untereinander verliehen.

Mit dem wachsenden Fortschreiten des Projekts entwickelte sich eine immer größere Basis von W-LSVen. Durch die enge Zusammenarbeit mit der damaligen Waldorf-SV kamen rasch gemeinsame Beratungen auf, wie diese neue Basis an schulpolitisch engagierten jungen Menschen aus den W-LSVen auf Bundesebene repräsentiert werden könnte. Klar war, dass durch diese Menschen die Chance besteht, einer neuen Struktur, eine in sich schlüssige Abrundung verleihen zu können, indem man eine Möglichkeit der Vertretung dieser Waldorf-Landesschüler:innenvertetungen in Bundeszusammenhängen ermöglicht. Mit diesem schulpolitischen Vertretungsanspruch waren die Grundlagen für die Bildung der neuen Sektionen in der Waldorf-SV geschaffen. Nach gründlichen gemeinsamen Überlegungen kam der Gedanke der sinnvollen Aufteilung der Themenfelder innerhalb der Waldorf-SV auf. Zum einen ist es das Denkerisch-Philosophische, das in vielen Waldorfschüler:innen lebt, und in den seit etlichen Jahren stattfindenden persönlichkeitsentwickelnden Bundesschüler:innentagungen (kurz: BSTen) unter großem bundesweitem Interesse seinen Raum findet. Doch zum anderen ist es nun auch das schulpolitisch Aktiv-Partizipierende, was vor allem in den W-LSVen lebt, und nun auch auf Bundesebene mit einem aktiven Mitgestaltungsanspruch – sowohl innerverbandlich als auch nach außen – neue Chancen und Maßstäbe der
Partizipation bietet.

Um diesem großen Aufgabenfeld gewachsen zu sein und um eben auch dem Vertretungsanspruch gerecht zu werden, setzt sich die schulpolitische Sektion der Waldorf SV aus jeweils zwei Delegierten aus den elf W-LSVen der regionalen Arbeitsgemeinschaften zusammen. Gemeinsam mit den sieben Personen der philosophischen Sektion der Waldorf-SV, die nach wie vor auf den BSTen aus der Mitte der Teilnehmenden heraus gewählt werden, schließt die Waldorf-SV von nun an einen Kreis von 29 Vertreter:innen zusammen, die für die Schüler:innen auf Bundesebene offiziell aktiv sind.

Mit der erfolgreichen Gründung der schulpolitischen Sektion der Waldorf-SV in der Freien Waldorfschule Kassel im September 2023, genau ein Jahr nach der Nordtagung, sind wir in Sachen Partizipation bedeutende Schritte nach vorne gegangen. Von den Früchten, die wir in Zukunft daraus ernten können, werden wir gern berichten.

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