Kurz zuvor hatte ich Herrn Faltas kennengelernt, einen reichen Ägypter: »Wenn Du jemals nach Ägypten kommst, bist Du mein Gast«. Unser Arabisch-Professor Krückmann ist begeistert: »Das müsst ihr unbedingt machen! Der deutsche Botschafter in Kairo ist ein guter Freund von mir, der wird euch dort helfen.«
Wir fangen an zu rechnen, Autostop bis Genua, in Ägypten billig leben, das müsste zu machen sein. Der Entschluss wird gefasst, in den Semesterferien machen wir uns auf den Weg.
Die »Ege«, das türkische Schiff, ist einfach, aber die Besatzung schließt uns gleich ins Herz und versorgt uns mit Essen, das eigentlich nicht im Preis enthalten ist. Doch die beste Überraschung ist die Mädchenklasse, die aus Barcelona von ihrer Abschlussfahrt nach Kairo zurückkehrt und uns zwei deutsche Studenten mit Hallo begrüßt. Auf der dreitägigen Reise nach Alexandria bekommen wir die beste Einführung in ägyptisches Leben, die man sich nur denken kann, mit allerlei Insidertipps samt der Adresse des deutschen evangelischen Altersheims, wo man äußerst günstig wohnen kann. Nadia, eines der Mädels, spricht deutsch, ihre Mutter ist Berlinerin. Sie und ihre Freundin Hedaya bieten sich als Stadtführerinnen an.
Am dritten Tag taucht die ägyptische Küste auf, wenig später empfängt uns Alexandria mit lärmendem Hafengetriebe. Und tatsächlich steht der Chauffeur von Herrn Faltas da und bringt uns zu einem Hotel, weil Faltas überraschend Gäste hat, so dass im Haus kein Platz ist. Das Auto stehe uns aber während unseres Aufenthalts zur Verfügung, wir sollten ihm nur sagen, wo wir hinwollten. So können wir unter anderem die Kriegsfriedhöfe von El-Alamein besuchen, wo 1942 General Rommel, das Afrikakorps und italienische Truppen in einer mörderischen Schlacht auf die Engländer trafen.
In Kairo machen wir unseren Antrittsbesuch bei Botschafter Pawelke und durchstreifen die Stadt mit Nadja und Hedaya, bevor wir spottbillig dritter Klasse im Zug nach Oberägypten fahren. Am Bahnhof Baliana unterbrechen wir die Fahrt zum Besuch der Tempel von Abydos. Ich muss aus dem Waggon einen halben Meter hinunterspringen, und als ich unten ankomme, fehlt meine Brieftasche, die in der hinteren Hosentasche gesteckt hatte.
Der Zug fährt gerade ab. Auf der Polizei ernten wir nur Achselzucken, bis ich wütend werde und schreie: »In Germany the police would at least listen!!« Schlagartig wandelt sich die Stimmung. »Ach so, ihr seid Deutsche?« Die Beamten hatten uns für Engländer gehalten, und nun werden wir bewirtet, im Hotel untergebracht und zum Essen in den Club eingeladen, wo die Honoratioren des Städtchens zu Abend speisen. Jedesmal, wenn einer der Herren geht, kommt ein Kellner mit einem Tablett, auf dem einige Geldscheine liegen. »Der Herr Bürgermeister bedauert sehr, dass euch das hier widerfahren ist ...«; »Der Polizeichef bedauert sehr ...«; »Der Herr Apotheker be ...«. Am Schluss habe ich mehr Geld als zuvor, ein Anruf bei der Botschaft führt zu einem neuen Pass und wir können unbeschwert die Reise fortsetzen.
Zum Autor: Dr. Bruno Sandkühler ist Ägyptologe, studierte Romanistik und Orientalistik in Florenz, Perugia, Paris und Freiburg. Er begründete gemeinsam mit C.-E. Fischer die Marco-Polo-Reisen und unterrichtete an verschiedenen Waldorfschulen.